Donnerstag, 13. September 2012

Abmahnung Wikipedia


Ursula Kampmann erhielt eine Abmahnung, weil sie für das Bild einer Münze den Namen des Fotografen nicht angab. Bei 3.000 Euro Streitwert wurden anfangs 245,70 Euro zuzüglich der Auslagen und Mehrwertsteuer berechnet. Doch dann wurden plötzlich 666,18 Euro daraus. Nach ihrem Kontaktversuch über einen Mittelsmann, eröffnete man als Reaktion ein gerichtliches Mahnverfahren.


Am 12. Juni 2012 erhielt Frau Kampmann als Geschäftsführerin der MünzenWoche GmbH eine Abmahnung und strafbewehrte Unterlassungserklärung. Sie hatte bei der Verwendung eines Wikipedia-Fotos auf ihrer Webseite nicht den Namen des Urhebers angegeben. Bei einer Prüfung stellte sie fest, dass tatsächlich bei der Wikipedia vermerkt ist, dass man den Namen zwingend nennen muss. Die Quelle des Bildes hatte ihr diesen Umstand verschwiegen. Rechtsanwalt Dr. jur. Hans G. Müsse aus Hechingen, selbst ein Fotograf, der häufiger Bilder bei der Wikipedia einstellt, forderte die Abgemahnte zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Ansonsten würde er "die notwendigen gerichtlichen Schritte einleiten", wie er schrieb. Nach Abgabe der beiden Erklärungen wartete Ursula Kampmann auf ihre Rechnung, allerdings fiel diese dann weitaus höher aus, als zunächst angekündigt. Die Rechnung setzte sich zusammen aus einem Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 200 Euro. Dazu kam Schadensersatz wegen Verletzung des Namensnennungsrechts in Höhe von 150 Euro, die Geschäftsgebühr mit 245,70 Euro, eine Auslagenpauschale von 20 Euro und 19 % MWSt: 50,48 Euro. Zusammen ergaben sich daraus 666,18 Euro. Das war mehr als das Doppelte der ursprünglich angekündigten Summe.
Frau Kampmann versuchte über ein Mitglied der Wikipedia-Community den Kontakt zum Fotografen herzustellen. Sie schreibt: "Ich war durchaus bereit, die Anwaltskosten und die Mehrwertsteuer zu begleichen, also 316,18 Euro, aber ich hoffte, Herrn T. zu überzeugen, auf seine Forderungen zu verzichten, da ich annahm, er würde seine Fotos aus Idealismus ins Netz stellen und nur so verbittert sein, weil es immer wieder Menschen gibt, die aus Wikipedia Bilder nehmen, ohne den Fotographen zu zitieren. Herr Cyron agierte dankenswerter Weise als Vermittler und informierte Herrn T. über mich, meine Person und das, was ich im Internet tue."
Es folgte offenbar ein Spiel auf Zeit. Pflichtgemäß informierte sie den gegnerischen Anwalt über die Verhandlungen mit dem Rechteinhaber des Fotos. Als Zahlungstermin wurde dann der 23. Juli 2012 festgesetzt. Der Fotograf wollte von ihr die E-Mails erhalten, mit denen sie die falsch deklarierten Fotos erhielt. Danach erhielt sie von Herrn T. keine Antwort mehr. Stattdessen bekam sie einen Mahnbescheid vom Amtsgericht Hünfeld zugestellt. Für sie entstanden dadurch zusätzliche Kosten in Höhe von 115,82 Euro.
Erst später schaltete sie eine Rechtsanwältin ein, die feststellte, dass die Abmahnung mehrere Formfehler beinhaltete. Die geforderte Summe hätte sie niemals zahlen müssen. Nach Rücksendung der ausgefüllten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung hatte sie aber ihre Schuld selbst eingestanden und auf alle juristischen Optionen freiwillig verzichtet. Ursula Kampmann ist frustriert. "Mir tun diese 787 Euro weh. (…) Mir ist es aber ein Anliegen, dass die Wikipedia-Gemeinschaft von diesen Vorgängen erfährt. Ich bin eine große Anhängerin der Idee, Wissen und Bilder einer Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen, um gemeinsam einen Pool zu schaffen, aus dem jeder bei Bedarf schöpfen kann. Nicht umsonst ist der Besuch meiner Website www.muenzenwoche.de für den Leser kostenlos.
Wenn aber im gemeinsam erarbeiteten Pool von Wikipedia einzelne Haifische schwimmen, die darauf warten, dass einer einen Fehler macht, um dann abzukassieren, dann fällt das auf die ganze Wikipedia-Gemeinschaft zurück. Man sollte sich überlegen, ob man nicht einen Ehrenkodex einführt, der Menschen, die gegen die Geist von Wikipedia handeln, aus diesem System ausschließt. Und in meinen Augen war das Vorgehen von Herrn T. gegen den Geist von Wikipedia."
Im Internet finden sich übrigens zahlreiche Beispiele weitere Abmahnungen des Fotografen und auch seines Rechtsanwalts. Dr. Müsse beschreibt sich auf der eigenen Webseitefolgendermaßen: "Er hilft Unternehmen und privaten Mandanten seit vielen Jahren erfolgreich bei Abmahnungen. (…) Rechtsanwalt Dr. Müsse übernimmt unter anderem die Vertretung von Fotografen und Unternehmen aus den Kreativbereichen Werbung, Marketing, Verlage und Druckereien."
Lars Sobiraj kommentiert: Leider gab es bisher keine sichtbaren Bemühungen der Wikimedia Deutschland e.V. derartige Geschäftsgebaren von ihrem Portal zu verbannen. Wer als Autor so handelt, dessen Fotos gehören in den Mülleimer statt auf eine derart populäre Webseite. Die freie Online-Enzyklopädie darf nicht als Plattform für Abmahnungen missbraucht werden, die Betreiber sind in der Pflicht, dieses Verhalten konsequent zu unterbinden. Leider werden sie ihrer Verantwortung nicht gerecht.
Dazu kommt: Wer die Verwendung eines CC-lizenzierten Bildes nur deswegen abmahnt, weil jemand vergass den Rechteinhaber namentlich zu nennen, der hat nach meiner Meinung den Sinn der Creative Commons-Lizenzen nicht verstanden. Alle Bilder des Anwalts und seines Klienten sollten augenblicklich entfernt werden, bevor deren fälschliche Verwendung weitere Abmahnungen nach sich ziehen können. Frau Kampmann erhält als Autorin von Fachartikeln pro Seite 60 Euro Honorar. Bei 787 Euro Schaden muss sie nun viele Stunden dafür aufwenden, um diesen finanziellen Schaden zu kompensieren.

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